Die Diagnose vor über zehn Jahren war niederschmetternd: amyotrophe Lateralsklerose, kurz ALS. Auf drei bis fünf Jahre schätzten die Ärzte damals die Zeit, die unserem Mitglied Mathias Kruse noch bleiben sollte. Doch es kam anders.
„Ich habe noch Visionen, noch Ziele, noch Pläne.“ Wenn Mathias Kruse und seine Lebensgefährtin Claudia Burghardt über das Projekt „Knutt Strandläufer“ berichten, ziehen sie jeden Zuhörer sofort in ihren Bann. Der Plan: einen geländegängigen Elektro-Rollstuhl bauen. Das Gefährt, das auch unwegsames Gelände meistert, soll es dem an Armen und Beinen gelähmten 47-Jährigen ermöglichen, ans Meer, an den Strand oder auch in den Wald zum Pilzesammeln zu kommen. Im letzten Ostsee-Urlaub hat der Karosserie- und Fahrzeugbaumeister erlebt, dass auch ein „super E-Rollstuhl“ (den unsere Daimler BKK finanziert hat und mit dem er sehr zufrieden ist) an seine Grenzen stößt.
Was als Spinnerei begann, nahm letzten Herbst in Form von Zeichnungen am heimischen Computer Gestalt an. Ein Joystick, den Mathias Kruse mit dem Mund bedienen kann, macht es möglich. Knutt Strandläufer heißt das Projekt nach dem gleichnamigen Vogel aus der Gattung der Strandläufer. Seitdem sind die Tage mit Zeichnen und Planen ausgefüllt, bei der praktischen Umsetzung unterstützen Kruses Sohn und Neffe, die an den Wochenenden in der heimischen Garage den Strandläufer bauen. Übrigens eine gute Gelegenheit, die eigenen beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen an den Nachwuchs weiterzugeben.
„Es ist unwahrscheinlich schön, die Fortschritte zu sehen“, freut sich Claudia Burghardt. Wer Interesse hat, kann auf Facebook daran teilhaben. Auf diese Weise sind vor allem Freunde und Verwandte, aber auch andere Rollstuhlfahrer auf das Projekt aufmerksam geworden. Sie verfolgen den Fortgang, kommentieren und motivieren, weiterzumachen.
Wobei eigentlich Mathias Kruse derjenige ist, der anderen Menschen Mut machen und Motivation geben will. Seine Erfahrung: „Selbst, wenn man das Gefühl hat, das Leben ist zu Ende – da geht immer noch was!“ Das gemeinsame Projekt stößt auf große Resonanz, damit hatten der Karosseriebaumeister und die Kinderkrankenschwester nicht gerechnet.
Wenn alles gut läuft, ist im Frühsommer Stapellauf für den Knutt. Ziel ist es, an den Strand zu kommen. Mathias Kruse und seine Partnerin sehen es realistisch: „Niemand weiß, wohin die Reise geht.“
Was ist ALS?
ALS ist eine seltene Erkrankung mit stets tödlichem Verlauf. Sie ist nicht heilbar, Patienten können nur versuchen, durch Ergo- und Physiotherapie und den Einsatz von Hilfsmitteln ihre Lebensqualität positiv zu beeinflussen. ALS ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Dabei sterben Nervenzellen ab, die für die Bewegung von Muskeln verantwortlich sind. Die Nervenzellen der Hirnrinde und des Rückenmarks werden geschädigt, was zu einer vollständigen Lähmung des Körpers führt. Todesursache ist in den meisten Fällen die Schwächung bzw. Lähmung der Atemmuskulatur. Die Ursache der Krankheit ist bisher ungeklärt.